Beyond Identities. Postindustrielle Relationen zwischen Ruhrgebiet und Oberschlesien erforschen und ausstellen


Was zeichnet das Lehrmuster aus?

Auf der Suche nach queeren Spuren im Ruhrgebiet forschen die Studierenden mit eigenen kleinen Forschungsprojekten in Archiven wie dem montanhistorischen Dokumentationszentrum (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museum Bochum. In Workshops lernen wir Archivarbeit und Methoden wie künstlerisches Forschen kennen und arbeiten mit spekulativen, feministischen und situierten Ansätzen. Die Ergebnisse der Forschungsprojekmmte präsentieren wir am Semesterende in einer Ausstellung im Bochumer Kunst- und Atelierraum «atelier automatique» und dokumentieren sie in einer Publikation.
Gemeinsam arbeiten wir dabei mit am Forschungsprojekt der Performancekünstlerin Julia Nitschke, die in ihrer recherchebasierten Praxis zu politischen Erinnern von Vergangenheit, sowohl in queer/feministischen als auch in familiären Post-Ost-Kontexten, zu Migrationsgeschichten und postindustriellen Relationen zwischen Ruhrgebiet und Oberschlesien forscht.
Theoretische Ansätze aus den Gender und Queer Media Studies kombinieren wir mit Praktiken des Forschenden Lernens: Wir verschränken forschende, mediale, (medien-)künstlerische und kuratorische Praxis und üben eine offene, neugierig-kritische Forschungshaltung ein.



Fakten im Überblick:

In welcher Form existiert eine Präsenzphase?
Blockveranstaltung

In welchen Zeitraum wird das Lehrmuster durchgeführt?
Während Vorlesungszeit

Wird das Lehrmuster über einen Zeitraum von mehreren Semester durchgeführt?
Nein

Welchen Umfang hat das Lehrmuster?
Creditpoints: 5
Teilnehmerzahl: 12

In welchem Studienabschnitt ist das Lehrmuster angesiedelt?
Bachelor (Profilierungsphase)

In welcher Art ist das Lehrmuster curricular verankert?
Wahlmodul

Worum geht es in dem Lehrmuster insbesondere?
Selbstständiges Experimentieren


Welche Zielsetzung hat das Lehrmuster?

Zielsetzung und Lernziele
Mit einem hohen Grad an Selbstorganisation erarbeiten die Studierenden eigene Forschungsprojekte und Fragestellungen, zu denen sie mit selbst gewählten Methoden selbstreflexiv arbeiten, in Archiven recherchieren und eine medial vermittelte Präsentationsform für die (Stadt-)Öffentlichkeit in Form einer gemeinsam realisierten Ausstellung entwerfen und umsetzen. Zu den Lernzielen zählen die aktive Teilhabe an einem gemeinsamen Forschungsprojekt und -prozess, das Erproben methodischer und sozialer Kompetenzen, das Kennenlernen von Archivarbeit und Forschungsmethoden, die Vermittlung der Wichtigkeit von Wissenschaftskommunikation und der Möglichkeiten der öffentlichen Präsentation von Forschung sowie die Reflektion eigener Forschungsprozesse durch Einüben einer neugierig-kritischen forschenden Haltung von Offenheit und Freiheit bezüglich des Prozessverlaufs und der Forschungsergebnisse.

Der Mehrwert für Studierende
Durch die Kombination interdisziplinären Forschens, forschungsorientierter Praxis, kollaborativer Umsetzung und Vermittlungsarbeit lernen die Studierenden eigenständig und in Archiven zu forschen, eigenständig Forschungsfragen zu entwickeln, einen Forschungsprozess zu durchlaufen und ihre Ergebnisse in verschiedenen medialen Formen in einer Ausstellung zu präsentieren.
Die Studierenden profitieren durch die Verschränkung von forschender, medialer, künstlerischer und kuratorischer Praxis und durch die Arbeit an einer aktuellen, gesellschaftlich relevanten Forschungsfrage. Ihnen bietet sich die Möglichkeit, medien- und gendertheoretisch reflektierte und praktische kuratorische Erfahrungen zu sammeln, Forschungsmethoden zur Recherchearbeit auszutesten und kuratorische Arbeit kennenzulernen und zu reflektieren.



Was sind wesentliche Inhalte des Lehrmusters?

Im Seminar «Beyond Identities. Postindustrielle Relationen zwischen Ruhrgebiet und Oberschlesien erforschen und ausstellen» begeben sich Studierende auf die Suche nach verborgenen Geschichten: von homosexuellen Bergmännern, queeren Gärten und Schutzpatron*innen, fluider Körperlichkeit und migrantischen Erinnerungslinien.

Von Bergbau-Barbies, über Kleingärten und Waschkauen, zu Arschleder, Blumen unter Tage und einer Zeitkapsel – die Ausstellung «Still Kissing My Kumpels* Goodnight» ist der zweite Teil einer Recherche zu queeren Spuren im Bergbau und zu postindustriellen Relationen zwischen dem Ruhrgebiet und Oberschlesien – einer Region, die aufgrund ihrer Geschichte auch als „polnisches Ruhrgebiet“ bezeichnet wird. Die Ausstellung hinterfragt hegemoniale Vorstellungen von Männlichkeit, Gender und Sexualität auch dort, wo man sie nicht vermutet – im Bergwerk, in Archiven, in der eigenen Familie.

Die Ausstellung zeigt Fotografien, Collagen, Installationen und Objekte, welche die gewonnenen Perspektiven und Recherchen zugänglich machen – als kritische Aneignungen, persönliche Reflexionen und kollektive Erinnerungsräume.





Weitere Lehrmuster:

Gründungsbausteine – Micro Credentials für Entrepreneure
Mit Videos und Digital Storytelling für das eigene Studienfach begeistern
Heimat Bochum. Kulturelle Formen der Beheimatung im Zeitalter der Globalisierung
Ahndung und Wiedergutmachung von NS-Verbrechen als Lebensthema. Auf dem Weg zu einer Biographie des Juristen Benjamin B. Ferencz





Wie ist das Lehrmuster strukturiert?

Das Lehr- und Lernprojekt kombiniert Recherchearbeit in Archiven des Ruhrgebiets, konkret dem montanhistorischen Dokumentationszentrum (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museum Bochum, die Erprobung von Forschungsmethoden wie künstlerischem Forschen und spekulative, feministisch situierten Ansätze mit der Erarbeitung einer Ausstellung, die am Semesterende im Bochumer Kunst- und Atelierraum und Off-Space «atelier automatique» realisiert wird.

In geblockten Veranstaltungen wird zunächst eingeführt in das Forschungsprojekt von Künstlerin Julia Nitschke zu grenzüberschreitenden Identitäten und postindustriellen Relationen zwischen Ruhrgebiet und Oberschlesien, in Praktiken des Forschenden und Künstlerischen Lernens, und der Vielfalt an Methoden in der Medienwissenschaft, insbesondere der Gender Media Studies.

Durch eine Exkursion in das Deutsche Bergbau-Museum Bochum und einen Workshop im montanhistorischen Dokumentationszentrum (montan.dok) mit Dr. Stefan Moitra und Dr. Maria Schäpers erschließen wir uns Zugänge zu forschender Arbeit mit Archiven und Ansätzen der Oral History auch als medienwissenschaftliche Methode. In einem weiteren Workshop mit Performancekünstler* Paweł Świerczek beschäftigen wir und mit aktivistisch-künstlerischer Archivarbeit in Oberschlesien, mit Queerness und Bergbau. Im Gastvortrag von Liam Levitt bekommen wir einen Einblicke zu den Relationen von Deindustrialisierung und queeren Leben aus historischer und queertheoretischer Perspektive.

Darauf aufbauend entwickeln die Studierenden, unterstützt durch die Lehrenden und Peer-Feedback, eigene Forschungsprojekte und -fragen. Es folgt eine intensive Phase der eigenständigen Recherche in Archiven, Online oder im Stadtraum, ergänzt um Literaturrecherchen und Interviews.

Zeitlich strukturiert, beraten und begleitet durch die Lehrenden entwerfen die Studierenden passende mediale Formate für ihre Forschungsergebnisse.

Gemeinsam kuratieren wir die Präsentationen der medialen Exponate als Ausstellung. Die Ausstellung «Still Kissing My Kumpels* Goodnight. Queere Schichten zwischen Ruhrgebiet und Oberschlesien» in den Schaufenstern des Kunst- und Kulturraums «atelier automatique» macht die Ergebnisse der Forschungsprozesse der Öffentlichkeit über einen Zeitraum von 4 Wochen zugänglich (12.07. – 10.08.2025). Ein Rahmenprogramm mit Film-Screening von «Wir waren Kumpel», eine Lecture-Performance von Tubi Malcharzik, die Ausstellungseröffnung, und einen «Stadtrundgang durch ein feministisches Hauptquartier» mit Eva Busch und Julia Nitschke begleitet die Ausstellung.

Eine Publikation in Form einer Webseite dokumentiert die Ergebnisse über die Dauer der Ausstellung hinaus.

Das Seminar baut auf dem Seminar „Kuratieren Queerulieren. Ausstellen als queer/feministische Medien/Praxis“ (WiSe 24/25) auf, führt dieses weiter und ermöglicht so ein forschendes Weiterdenken und Erproben kritischer Ausstellungspraxis zu lokal im Ruhrgebiet verankerten queer/feministischen Themen.



Welches Prüfungsform ist in dem Lehrmuster vorgesehen?

• Die Studierenden entwickeln und verfolgen eigene Forschungsprojekte inklusive Recherchearbeit in Archiven.
• Die Fortschritte werden regelmäßig präsentiert und im Plenum reflektiert. Die Lehrenden beraten die Studierenden bei den Forschungsprozessen und geben schriftlich und mündlich Feedback zu Inhalten, Texten und Form.
• Gemeinsame Textdiskussionen, Workshops, strukturierte (Peer-)Feedback-Runden, terminierte Abgaben von Konzepten, Texten, Projektumsetzungen und Exponaten unterstützen den Prozess.
• Die Forschungsergebnisse werden verschriftlicht.
• Die Ergebnisse werden in eigenen kreativen-künstlerischen Ausstellungsprojekten realisiert: als Poster, Installation, Collage, künstlerischer Arbeit, Ausstellen von Archivfunden, in Form von (ausgedruckten) Digitalisaten und Leihobjekten – jedes Exponat hat einen Ausstellungstext inklusive Literaturangaben.
• Gemeinsam wird eine Ausstellung kuratiert, die über einen Zeitraum von 4 Wochen in den Schaufenstern des Kunstraums «atelier automatique» öffentlich zugänglich ist.



Welche E-Learning-Elemente werden eingesetzt?

1. Moodle: Die Lernplattform Moodle wird genutzt, um den Studierenden Zugang zu Kursmaterialien, theoretische Inputs und weiteren Ressourcen zu bieten.
2. Kollaborative Online-Tools: Kollaborativen Online-Tools werden verwendet, um Arbeitsprozesse zu erleichtern. Gemeinsam wird – auch online – in Gruppen gearbeitet, Ideen ausgetauscht, Projekte und Texte kommentiert, entwickelt und bearbeitet.
3. Messengerdienst: Eine von Studierenden initiierte Community-Gruppe in einem Messengerdienst mit Untergruppen ermöglicht eine niedrigschwellige und kurzfristige Kommunikation zwischen allen Teilnehmenden, insbesondere hinsichtlich der Planung und Umsetzung der Ausstellung.
4. Online-Archive und Datenbanken: Durch Recherchieren in digitalen Datenbanken von Online-Archiven lernen Studierende eigenständiges Forschen.



Tipps für die Umsetzung:

"Entwicklung einer Ausstellung: Die gemeinsame Entwicklung einer Ausstellung ist ein ebenso (zeit-)intensiver wie wertvoller Prozess für alle Beteiligten, der gute Zeit- und Projektstrukturierung erfordert. Hilfreich war dabei das Arbeiten im Team mit zwei Lehrpersonen und zu viel Eigenengagement ermutigte Studierenden. Die Möglichkeit der individuellen und interessengeleiteten Auseinandersetzung mit aktuellen Themen wie Queerness, Feminismus, Postmigration, Postindustrie etc. eröffnete einzigartige mitunter sehr persönliche Perspektiven und ein erweitertes Verständnis dieser durch alle Beteiligten. Prüfungsformate jenseits standardisierten schriftlich oder mündlich basierten regten zu erweiterten methodischen und theoretischen Zugängen zu Forschungspraxis an.

Verschränken von Theorie und Praxis: Das Projekt zeichnet sich durch einen experimentellen Charakter aus. In einem relativ engen zeitlichen Rahmen ist es möglich ist, Studierenden theoretische Grundlagen zu vermitteln und praktische Erfahrung in der Konzipierung und Durchführung einer Ausstellung zu ermöglichen. Wichtig ist dabei die Anteile von Theorie und Praxis von Beginn an sinnig zu kombinieren, um Transferleistungen zu erlauben und sicherzustellen, dass die Projekte und Ziele von Beginn an klar definiert sind.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die interdisziplinäre Kollaboration mit einer Lehrperson (mit gefördertem Lehrauftrag) mit Fokus auf künstlerische Forschung sowie mit einem lokal verankerten Archiv (montan.dok) waren zentrale Bestandteile für ein Gelingen des Projekts. Diese ermöglichte den Studierenden an einer praxisrelevanten Fragestellung aus der künstlerischen und kulturhistorischen Forschung mitzuarbeiten und den Wert interdisziplinärer Praxis zu erfahren.

Kooperation mit einer lokalen Kunst- und Kulturinstitution: Besonders wertvoll war die enge Zusammenarbeit mit lokalen Partner:innen, wie dem Kunst- und Kulturraum «atelier automatique», die Studierende ermöglichte zu erfahren, wie sich Forschungsinhalte öffentlichkeitswirksam – in den Schaufenstern des Ausstellungsraumes – vermitteln lassen.

Kooperation mit einem lokal verankerten Archiv: Die intensive Zusammenarbeit mit dem montan.dok – Montanhistorischen Dokumentationszentrum des Deutschen Bergbau-Museum Bochum erlaubte Studierenden die Forschungspraxis in Archiven in eigenen Forschungsprojekten durchzuführen und grundlegend und nachhaltig zu erlernen.

Exkursion und Expert:innen-Gespräch: Exkursionen veranschaulichen und vertiefen theoretisch erarbeitetes Wissen und ermöglichen bereichernde Einblicke in lokale museale und forschende Institutionen (wie das Deutsche Bergbau-Museum Bochum). Das Sprechen mit Gäst:innen aus Theorie und Praxis ist wertvoll für Einblicke in die forschende und künstlerische Praxis.

Gruppenarbeit und Kollaboration: Das Projekt ermöglichte eine intensive Teamarbeit und die gegenseitige Unterstützung der Studierenden in kleinen Gruppen. Um ein Gelingen zu gewährleisten sind transparente und wertschätzende Kommunikation, Vertrauen in die Studierenden und begleitende Unterstützung der individuellen und gruppenbezogenen Prozesse zentral.

Online-Dokumentation der Ausstellung: Die Ausstellung und ihre Projekte werden auf einer Webseite in Text und Bild dokumentiert. Dabei erhält jedes Projekt eine eigene Unterseite, um Studierenden zu ermöglichen, ihr Projekt bspw. im Kontext von Bewerbungen zu verlinken."

Magdalena Götz



Veröffentlichungen zum Lehrmuster:

Die Ausstellung «Still Kissing My Kumpels* Goodnight. Queere Schichten zwischen Ruhrgebiet und Oberschlesien» in den Schaufenstern des Kunst- und Kulturraums «atelier automatique» machte die Ergebnisse der Forschungsprozesse der Öffentlichkeit über einen Zeitraum von 4 Wochen zugänglich (12.07. – 10.08.2025). In den Schaufenstern jederzeit öffentlich zugänglich realisiert die Ausstellung größtmögliche Sichtbarkeit im Stadtraum.
Auf einer Webseite ist die Ausstellung mit den Projekten der Studierenden ist fotografisch und textuell ausführlich und dreisprachig (DE/EN/PL) dokumentiert: https://julianitschke.space/lehre-ausstellung/

Die Fakultät für Philologie veröffentlichte einen Bericht zur Ausstellung: https://www.dekphil.ruhr-uni-bochum.de/dekphil/news/akt00303.html.de



Dateien zum Lehrmuster:



Hat Ihnen das Lehrmuster gefallen? Dann setzen Sie doch ein ähnliches Lehrmuster um! Gerne beraten wir Sie hierzu. Und für Forschendes Lernen gibt es sogar eine Transferförderung. Für einen Beratungswunsch schicken Sie bitte eine E-Mail an lehrmuster@rub.de.






Konzipierung

Kontaktperson:
Magdalena Götz
(Magdalena.Goetz@ruhr-uni-bochum.de), Fakultät für Philologie, Institut für Medienwissenschaft

Weitere Beteiligte:
Julia Nitschke
julia.nitschke@posteo.de

Internetseite zum Lehrmuster


Weitere Informationen

Veröffentlichungsdatum:
19. Dezember 2025, 10:49 Uhr

Schlagwörter:
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Fächergruppen:
Geisteswissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Interdisziplinär


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