Schule? – Nein danke! Schulabsentismus praktische Perspektiven und Herausforderungen


Was zeichnet das Lehrmuster aus?

In einem transdisziplinären Ansatz widmen sich die Studierenden der gesellschaftlichen Herausforderung der Inklusion im Schulsystem. Sie verbinden psychologische und pädagogische Perspektiven und arbeiten eng mit einem breiten Spektrum externer Partner*innen zusammen, darunter sozialpädagogische und psychotherapeutische Fachkräfte der Eingliederungshilfe, der Schulpsychologie sowie Betroffene selbst. Die Studierenden entwickeln in weitgehend selbstorganisierten Gruppen kreative Lösungsansätze, um Barrieren für Kinder mit psychischen Erkrankungen oder Autismus-Spektrum-Störungen im schulischen Umfeld abzubauen. Besonders hervorzuheben ist der synergetische Effekt der Zusammenarbeit von Psychologie- und Lehramtsstudierenden, die ihre jeweiligen Fachkompetenzen gewinnbringend in die Projektarbeit einbringen. Die entstehenden Projekte zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Kreativität und Vielfalt aus. Sie reichen von Videos zur Psychoedukation für Lehrkräfte über den Umgang mit Autismus bis hin zu innovativen Ansätzen, wie einer App zur Unterstützung junger Menschen in prekären Lebenslagen, sowie einem Aktionstag zum Thema Teilleistungsstörung an Schulen bis hin zur partizipativen Erarbeitung eines Konzepts der „idealen Schule“ gemeinsam mit schulabstinenten Schülerinnen und Schülern.



Fakten im Überblick:

In welcher Form existiert eine Präsenzphase?
Einzeltermine

In welchen Zeitraum wird das Lehrmuster durchgeführt?
Während Vorlesungszeit

Wird das Lehrmuster über einen Zeitraum von mehreren Semester durchgeführt?
Nein

Welchen Umfang hat das Lehrmuster?
Creditpoints: 5
Teilnehmerzahl: 24

In welchem Studienabschnitt ist das Lehrmuster angesiedelt?
Bachelor (Profilierungsphase)

In welcher Art ist das Lehrmuster curricular verankert?
Wahlmodul

Worum geht es in dem Lehrmuster insbesondere?
Selbstständiges Arbeiten am Text / an Quellen / an Fällen / an Daten, Sonstiges (Transformationspotentiale im Bereich Inklusion im Bildungsbereich entwickeln)


Welche Zielsetzung hat das Lehrmuster?

Das Projekt zielt darauf ab, Studierenden die Herausforderungen der Inklusion im Schulsystem sowie Schulabsentismus Als potentielle Folge gescheiterter Inklusionsbestrebungen näherzubringen. Im Fokus steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Studierenden, Praxispartnern und Fachkräften, um Barrieren im Bildungssystem zu erkennen und kreative, praxisnahe Lösungsansätze zu entwickeln. Studierende sollen für die komplexen Herausforderungen im Umgang mit neurodivergenten Kindern und Kindern mit psychischen Erkrankungen sensibilisiert werden und ein tiefgehendes Verständnis für die strukturellen und individuellen Hürden entwickeln, die diese Kinder am Schulbesuch hindern. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der der Reflexion über bestehende Systemzwänge, die oft mit dem Kindeswohl in Konflikt geraten.

Durch das selbstgesteuerte, kollaborative Arbeiten im Rahmen des Challenge-Based-Learning sollen die Studierenden zentrale Schlüsselkompetenzen erwerben. Diese beinhalten:

  1. Problemlösekompetenz: Die Studierenden lernen, auf Basis realer Fallbeispiele individuelle Lösungsansätze zu entwickeln und kritisch zu reflektieren. Sie erkennen Widersprüche in Systemen und lernen, kreative, umsetzbare Lösungswege zu erarbeiten, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Kinder eingehen.
  2. Interdisziplinäre Zusammenarbeit: In Kooperation mit Fachkräften aus dem Jugendamt Bochum erfahren die Studierenden, wie unterschiedliche Professionen gemeinsam arbeiten müssen, um Inklusion zu ermöglichen. Sie vertiefen ihre Fähigkeit, in heterogenen Teams mit diversen Perspektiven effektiv zu kommunizieren und Entscheidungen zu treffen.
  3. Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme: Das Projekt fördert eine hohe Selbstverantwortung, da die Studierenden eigenständig ihre Aufgaben und Arbeitsprozesse organisieren und umsetzen. Sie trainieren, Projekte von der Planung bis zur Präsentation eigenständig zu strukturieren und Ergebnisse erfolgreich zu kommunizieren.
  4. Kritische Reflexion und ethisches Urteilsvermögen: Die Studierenden werden ermutigt, Systemlogiken und ethische Dilemmata, wie den Konflikt zwischen Schulpflicht und Kindeswohl, kritisch zu hinterfragen. Sie sollen ein Verständnis dafür entwickeln, wie Inklusion auf systemischer und individueller Ebene umgesetzt werden kann und welche ethischen Überlegungen dabei berücksichtigt werden müssen.

Insgesamt soll das Projekt den Studierenden helfen, praxisorientiertes Wissen über Schulabsentismus zu erlangen und Kompetenzen zu erwerben, die ihnen in ihrem beruflichen Werdegang im pädagogischen und psychologischen Bereich von Nutzen sind.



Was sind wesentliche Inhalte des Lehrmusters?

Das Projekt beleuchtet umfassend die verschiedenen Manifestationsformen von Schulabsentismus, darunter Schulschwänzen, angstbedingte Schulverweigerung und das Zurückhalten von Schüler*innen. Fallbeispiele, wie etwa die eines Achtjährigen mit ADHS-Symptomatik, verdeutlichen die Vielfalt der Problembereiche, einschließlich Diskriminierung, Mobbing, familiärer Probleme und Autismus. Es wird auch ein Exkurs zu sogenannten Systemsprenger*innen gemacht, um zu erklären, warum trauma-bedingte, externalisierende Verhaltensweisen oft das Scheitern inklusiver Bemühungen bedingen. Ein weiteres zentrales Thema ist die Sensibilisierung für Machtstrukturen in Schulen, basierend auf Beiträgen von einer eingeladenen Sozialarbeiterin der Evangelischen Hochschule, die Machtverhältnisse und ihre Auswirkungen auf die Vergabe von Ressourcen und Normen thematisiert. Das Konzept der Neurodiversität wird in Abgrenzung zum medizinischen Paradigma als neue Schlüsselperspektive behandelt, und ein Gastbeitrag einer autistischen Studierenden gibt persönliche Einblicke in schulische Barrieren.





Weitere Lehrmuster:

KIbox – Kickbox-unterstütze Lösung von Nachhaltigkeits-Challenges durch den Einsatz künstlicher Intelligenz
Wasser im Wandel
Online Escape Room Mittelalter
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Wie ist das Lehrmuster strukturiert?

Das Projekt ist im Blended-Learning-Format konzipiert und folgt einer klaren Struktur, die Präsenzphasen, asynchrone Lernphasen und individuelle Coachings kombiniert. Zu Beginn des Semesters finden mehrere Präsenzveranstaltungen statt, in denen die Studierenden in die Thematik des Schulabsentismus und die Herausforderungen der Inklusion eingeführt werden. Externe Praxispartner*innen, wie Sozialarbeiter*innen und Fachkräfte der Eingliederungshilfe, tragen durch Fallbeispiele zur Sensibilisierung bei.

In den darauffolgenden asynchronen Lernphasen arbeiten die Studierenden selbstständig in Kleingruppen. Diese Phasen sind darauf ausgelegt, dass die Studierenden eigenständig Lösungen für spezifische Problemfelder entwickeln. Dabei können sie auf digitale Materialien zugreifen, die ihnen theoretische Grundlagen und Praxiswissen zu Themen wie Neurodiversität, Trauma und Inklusion vermitteln.

Während der asynchronen Phasen finden regelmäßige individuelle Coachings durch die Seminarleitung statt. Diese Coachings dienen der Unterstützung der Gruppenarbeiten und bieten den Studierenden die Möglichkeit, ihre Ideen zu reflektieren und Feedback zu erhalten. Durch diese strukturierte Begleitung wird der Prozess des eigenständigen Lernens und Entwickelns gefördert, während gleichzeitig fachliche Unterstützung durch die Seminarleitung gegeben ist.

Abschließend präsentieren die Studierenden ihre Projektergebnisse im Rahmen eines Symposiums, bei dem die Praxispartner*innen eingeladen sind, was eine praxisnahe Rückmeldung und den Austausch über die erarbeiteten Lösungen ermöglicht.



Welches Prüfungsform ist in dem Lehrmuster vorgesehen?

Die Leistungskontrolle im Rahmen des Projekts besteht aus mehreren Elementen. Zunächst arbeiten die Studierenden in Kleingruppen an einem Teilaspekt der gesellschaftlichen Challenge Schulabsentismus, wobei sie sich auf spezifische Themen wie psychische Erkrankungen oder Autismus fokussieren können. Jede Gruppe entwickelt ein Projekt, das im Rahmen eines Symposiums präsentiert wird. Die Präsentation erfolgt in Form eines Vortrags, eines Posters oder eines Videos, wobei die Wahl des Formats den Studierenden überlassen bleibt.

Zusätzlich zur Präsentation verfassen die Studierenden eine schriftliche Ausarbeitung, die in zwei Teile gegliedert ist. Der erste Teil umfasst eine wissenschaftliche Darstellung der Projektidee, gestützt auf Fachliteratur. Hierbei müssen sowohl Primärquellen (empirische Studien) als auch Sekundärliteratur (Reviews, Meta-Analysen) berücksichtigt werden. Der zweite Teil besteht aus einer Reflexion des individuellen Lernprozesses. Hier reflektieren die Studierenden ihre Lernerfahrungen, Herausforderungen bei der Gruppenarbeit, ihre sich verändernde Haltung zum Thema und den Einfluss der Praxispartner auf ihre Perspektiven



Welche E-Learning-Elemente werden eingesetzt?

Im Projekt werden verschiedene E-Learning-Elemente eingesetzt, um die Studierenden in den asynchronen Lernphasen zu unterstützen. Zentrale E-Learning-Elemente sind digital aufbereitete Wissensspeicher, die über die Lernplattform Moodle zugänglich sind. Diese beinhalten theoretische Grundlagen zu Schulabsentismus, Neurodiversität, Trauma sowie traumasensiblen Interventionen. Weiterhin stehen den Studierenden Materialien zur Verfügung, die ein emanzipiertes Verständnis autistischer Seinsweisen und nicht-pathologisierende Perspektiven auf als problematisch deklarierte Verhaltensweisen vermitteln.

Zusätzlich können die Studierenden während der asynchronen Arbeitsphasen auf digitale Fallstudien und Beispiele zugreifen, die ihnen bei der Entwicklung ihrer Lösungsansätze helfen. Diese E-Learning-Elemente werden durch regelmäßige Online-Coachings (Zoom) ergänzt, in denen die Seminarleitung Feedback gibt und die Projektentwicklung unterstützt.



Tipps für die Umsetzung:

"Zusammenfassend hat das Projekt gezeigt, dass interdisziplinäre Zusammenarbeit und selbstbestimmte Projektarbeit zu beeindruckenden Ergebnissen führen können. Besonders die Fallarbeit in Kooperation mit Praxispartner, wie dem Jugendamt, erwies sich als zentraler Baustein. Die Praxispartner*innen profitierten von den Perspektiven der Studierenden, was zeigt, dass diese Zusammenarbeit für beide Seiten bereichernd ist. Ein wichtiges transferfähiges Element ist daher die Möglichkeit, reale anonymisierte Fälle in die Lehre einzubinden, um praxisnahe Lernumgebungen zu schaffen.
Meine wichtigste Empfehlung für Nachahmer*innen wäre, ein solches Projekt mit einer Co-Lehrperson durchzuführen. Die Betreuung von 25 Studierenden und sechs Gruppen war zeitlich sehr anspruchsvoll, und mit einer Co-Lehrperson, besonders aus dem Bereich Lehramt, könnte sowohl der Workload besser aufgeteilt werden als auch lehramtsspezifische Projekte hätten inhaltlich gezielter unterstützt werden können. Außerdem sollte das Projekt über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden, um den Studierenden ausreichend Zeit zu geben, ihre Praxisprojekte nicht nur zu planen, sondern auch in ihren sozialen Settings umzusetzen."

Dr. rer. nat. Sabrina Fuths



Veröffentlichungen zum Lehrmuster:

Es wurde eine digitale Aufbereitung im Rahmen eines „Walk of Diversity“ erstellt. Dabei wurden Ergebnisse aus dem Seminar, wie das Video für Lehrkräfte zum Thema Autismus, die App für von Wohnungslosigkeit bedrohte junge Menschen und der Aktionstag zum Thema Teilleistungsstörung, in einem interaktiven Format über Qualtrics präsentiert. Dieser digitale Walk wird im Rahmen der Erstsemesterveranstaltung am 7. Oktober genutzt, um Studienanfänger die Abteilungen der Fakultät für Psychologie näherzubringen. Das Projekt zeigt eindrücklich, dass praxis- und transferorientierte Lehrveranstaltungen bei uns einen hohen Stellenwert haben und den Studierenden ermöglicht wird, ihre theoretischen Kenntnisse in konkrete, praxisnahe Projekte umzusetzen.

https://bochumpsych.eu.qualtrics.com/jfe/form/SV_eFm9Pm684quFv6u



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Konzipierung

Kontaktperson:
Dr. rer. nat. Sabrina Fuths
(sabrina.fuths@rub.de), Fakultät für Psychologie


Weitere Informationen

Veröffentlichungsdatum:
24. Oktober 2024, 13:07 Uhr

Schlagwörter:
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Fächergruppen:
Interdisziplinär


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