Werkstoffkunde für Studierende in der Studieneingangsphase neu gedacht – Entwicklung einer forschenden werkstoffkundlichen Lehre unter Berücksichtigung nachhaltiger Entwicklungsziele


Was zeichnet das Lehrmuster aus?

Im Rahmen des Projekts wurde eine Pflicht-Lehrveranstaltung für Ingenieurstudierende der Fakultät für Maschinenbau (2. & 4. Fachsemester) mit dem Schwerpunkt auf Werkstoffen und deren Anwendung inhaltlich und konzeptionell neu aufgestellt. Am Beispiel eines Pedelec („E-Bike“) wurde ein komplexes Produkt nahezu vollständig in Baugruppen und Bauteile zerlegt. Diese wiederum wurden werkstoffkundlich mit den im weiteren Studium relevanten Methoden zerstörend geprüft, um eine Daten- und Wissensbasis für das forschende Lernen der Studierenden im Rahmen einer Lehrveranstaltung mit hoher Teilnehmerzahl zu ermöglichen. Begleitend eingesetzt, vor allem relevant für das forschende Lernen und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten, wurde die werkstoffkundliche Lehr- und Lernsoftware „EduPack“.



Fakten im Überblick:

In welcher Form existiert eine Präsenzphase?
Einzeltermine

Wird das Lehrmuster über einen Zeitraum von mehreren Semester durchgeführt?
Ja (1 Semester)

Welchen Umfang hat das Lehrmuster?
Creditpoints: 8
Teilnehmerzahl: 100
400 TN im Moodlekurs, 100 in der Präsenzveranstaltung, 20 im Rahmen der Rad-Exkursion

In welchem Studienabschnitt ist das Lehrmuster angesiedelt?
Bachelor (Grundlagenphase)

In welcher Art ist das Lehrmuster curricular verankert?
Pflichtmodul

Worum geht es in dem Lehrmuster insbesondere?
Selbstständiges Arbeiten am Text / an Quellen / an Fällen / an Daten, Selbstständiges Experimentieren, Sonstiges (Selbstständiges Arbeiten und Recherchieren mit der werkstoffkundlichen Lehr- und Lernsoftware „EduPack“)


Welche Zielsetzung hat das Lehrmuster?

Das übergeordnete Ziel der LV ist es, die verwendeten Werkstoffe sowie deren Prozessierung von einem Halbzeug zu einem fertigen Produkt im Rahmen eines „Reverse-Engineering“ kennenzulernen. Parallel dazu werden Energiebedarfe und CO2-Emissionen betrachtet, die mit der Herstellung und der Verarbeitung der Werkstoffe verbunden sind. Der fachliche Schwerpunkt wurde auf die in einem Fahrrad überwiegend vorkommenden metallischen Werkstoffe auf Al- und Fe-Basis gelegt, während weitere Werkstofffamilien (Verbundwerkstoffe, Keramiken etc.) über die Software „EduPack“ und ein werkstoffkundliches Lehrbuch ergänzend aufgegriffen wurden. Die Anknüpfung über das technische Produkt „Pedelec“ wird dabei wie folgt umgesetzt: Einzelne Komponenten (Speichen, Schaltung, Rahmen, Lager, etc.) wurden entnommen, dokumentiert und mit werkstoffkundlichen Methoden charakterisiert. Am Beispiel der Fahrradspeiche lässt sich dieses Vorgehen gut beschreiben: Eine exemplarische Aufgabe für die Studierenden ist es in diesem Zusammenhang, typische Materialien für Speichen im Eigenstudium zu recherchieren und unter Einsatz der Software „EduPack“ mehr über die recherchierten Werkstoffen zu erfahren. Begleitend werden dem Pedelec Speichen entnommen und deren Charakterisierung inkl. des Versuchsplans und der Methoden zunächst im Rahmen der Vorlesung besprochen. Eingesetzt wurden hierzu chemische Analysen mittels Spektrometrie, uniaxiale Zugversuche, metallografische Schliffe, Analysen der Mikrostruktur mittels Live- Lichtmikroskopie und Vertiefungen zum verwendeten Fertigungsverfahren (hier: Drahtziehen). Alle Ergebnisse konnten wiederum durch die Studierenden mit „EduPack“ abgeglichen und vertieft werden, inkl. der Frage nach Werkstoffalternativen, Recyclingfähigkeit, Energiebedarfen und spez. CO2-Footprints. Der besondere Gewinn für die Studierenden ist der „entdeckende“ bzw. forschende Charakter dieser Art des Lernens, angetrieben durch die Neugierde herauszufinden, was der Komponente und dem Werkstoff an Informationen zu entnehmen ist. In diesem Kontext werden technisch etablierte Werkstoffalternativen exemplarisch vorgestellt und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile mit den Studierenden diskutiert. Der erwartete Kompetenzerwerb innerhalb dieser Modulkomponente (ohne Berücksichtigung des Praktikums und des VL-Anteils im 1./3. Semester) ist entsprechend der Modulbeschreibung wie folgt definiert:
• Insbesondere die für den Maschinenbau relevanten Werkstoffe zu benennen, diese in
Werkstofffamilien einzuteilen und ihren atomaren/kristallinen Aufbau zu erklären.
• Grundlegende thermodynamische Zusammenhänge zu erläutern sowie Zustandsdiagramme
zu skizzieren und in der Praxis anzuwenden.
• Zusammenhänge zwischen Fertigungsverfahren, resultierenden Mikrostrukturen und
Eigenschaften von Werkstoffen herzustellen.
• Unter gegebenen Anforderungsprofilen die Eignung bestimmter Werkstoffe
nachzuvollziehen und eine anforderungsgerechte Werkstoffauswahl zu treffen.
• Bezüge zwischen den Grundlagen der Werkstoffe und deren technischer Anwendung
herzustellen.
• Eine Fertigungsprozesskette ganzheitlich unter den Randbedingungen einer zirkulären
Wertschöpfung zu bewerten.



Was sind wesentliche Inhalte des Lehrmusters?

Das primäre Ziel des Projekts war es, im Rahmen des Moduls „Werkstoffe – Grundlagen und Anwendungen“ stärker als bislang an das Erfahrungswissen der Studierenden anzuknüpfen und über ein „reverse engineering“ und forschende Lernanteile Motivation und Begeisterung für die werkstoffkundliche Lehre zu wecken. In diesem Zuge sollte der Lernerfolg ebenso gesteigert werden, um die aktuell vergleichsweise schlechten Prüfungsleistungen in diesem Modul zu verbessern und die Anzahl der Studienabbrecher und -wechsler zu reduzieren.

Im Vergleich zu der bisherigen Werkstofflehre wird die Herangehensweise umgekehrt, indem nicht von dem Aufbau der Materie und/oder den Verfahren ausgehend ein (eher abstraktes) Beispielprodukt gezeigt wird, sondern ein vollständiges, jedem Studierenden aus dem Alltag bekanntes Produkt (Pedelec / „E-Bike“) anhand seiner Einzelkomponenten im Detail analysiert wird. Diese werkstoffkundliche „Detektivarbeit“ ist für eine große Lehrveranstaltung, die zumindest für Studierende des Maschinenbaus noch in der Studieneingangsphase angesiedelt ist, neuartig und bislang unerprobt. Mit dem neuen Lehrkonzept wird sowohl Fachwissen der Werkstoffkunde als auch methodisches Wissen zur Werkstoffanalyse und -prüfung vermittelt. Die Herausforderung bestand und besteht darin, forschendes Lernen im Rahmen der personellen und strukturellen Möglichkeiten für eine große Anzahl Studierender zu realisieren. Dabei ist der Aufbau des Moduls von Vorteil, das neben dem Vorlesungsanteil ein Praktikum beinhaltet, dessen Inhalte mittelfristig auf die Schwerpunktsetzung „Pedelec“ angepasst werden sollen. Diese Anpassung ist für das Praktikum im B.Sc.-Studiengang „Materialwissenschaften“ bereits erfolgt.





Weitere Lehrmuster:

Interaktives Baumanagement – Eine transparente Planung von Infrastrukturprojekten
Werkstoffkunde für Studierende in der Studieneingangsphase neu gedacht – Entwicklung einer forschenden werkstoffkundlichen Lehre unter Berücksichtigung nachhaltiger Entwicklungsziele
Data Analytics in Accounting
Praxis trifft Theorie. Ein Konzept zum forschenden Lernen: Schwingungsvorgänge in Maschinendynamik durch praxisrelevante Beispiele begreifen





Wie ist das Lehrmuster strukturiert?

Die Umsetzung des Projekts ist als Bestandteil der Vorlesung „Werkstoffe – Grundlagen und Anwendungen“ konzipiert, zu der begleitend ein Praktikum angeboten wird. Da es sich um eine Pflichtveranstaltung mit relativ hoher Teilnehmerzahl handelt, sind die Arbeitsformen begrenzt auf die Teilnahme an Vorlesungen im Hörsaal, Hörsaal-Übungen sowie das Praktikum in Gruppen von ca. 20 Studierenden.



Welches Prüfungsform ist in dem Lehrmuster vorgesehen?

Der Leistungsnachweis erfolgte, entsprechend des Modulhandbuchs, im Rahmen einer schriftlichen Prüfung, die als E-Prüfung über MoodleExam parallel in zahlreichen CIP-Pools abgeprüft wird. Die Lehrenden in diesem Modul hoffen auf eine baldige Eröffnung des E-Prüfungsraums in GAFO, um dies in Zukunft einfacher und besser durchführen zu können. Ergänzend ist das begleitend angebotene Werkstoff-Praktikum für Studierende ab WiSe 2021/2022 mit einen LP verbunden. Der erfolgreiche Abschluss der MAP ist daher nur nach erfolgreicher Teilnahme am Praktikum möglich, wobei der zugehörige Leistungsnachweis über Versuchsprotolle und mündliche Eingangskolloquien erfolgt. Nicht prüfungsrelevante Leistungskontrollen erfolgten semesterbegleitend im Rahmen der Vorlesung durch den konsequenten Einsatz von ARSNova.



Welche E-Learning-Elemente werden eingesetzt?

Das gesamte Modul wurde über die Plattform Moodle organisiert, sowohl für die Bereitstellung der VL-Unterlagen als auch der Übungsaufgaben. Das Lehrbuch „Callister – Materialwissenschaft und Werkstofftechnik“ wurde als Basis der Vorlesung verwendet und als E-Ressource angeboten. ARSNova wurde als audience response system in (fast) jeder Präsenzveranstaltung eingesetzt, um an Inhalte der Vorwoche anzuknüpfen und den Wissenstand der Studierenden zu einem bestimmten Themenfeld abzufragen. Der Umgang mit der Lehr- und Lernsoftware „EduPack“ wurde den Studierenden zunächst im Rahmen einer Hörsaal-Übung vermittelt. Anschließend wurde diese Software für das Eigenstudium sowie für die Bearbeitung der Übungen als elektronische Ressource zur vollumfänglichen Nutzung zur Verfügung gestellt. Die Software ist seitens der Fakultät Maschinenbau bzw. des Instituts für Werkstoffe für alle Studierenden der Fakultät lizensiert und wird über eine floating license (per VPN) unter Nutzung lokaler Installationen auf den privaten PCs der Studierenden zur Verfügung gestellt. Aus EduPack heraus sind den Studierenden weitere modulrelevante Inhalte digital zugänglich.



Tipps für die Umsetzung:

"- Grundzüge des forschenden Lernens lassen sich mit Unterstützung digitaler Werkzeuge auch in eine große ingenieurwissenschaftliche Pflichtveranstaltung implementieren. Tatsächliches forschendes Lernen mit der eigenständigen Erarbeitung neuer Erkenntnisse scheitert jedoch an der TN-Anzahl sowie an noch nicht vorhandener Methodenkompetenz und Basiswissen im 2. Fachsemester.
- Das (forschende) Eigenstudium wird nicht in der Breite angenommen, sofern damit keine Erbringung von (Vor-) Leistungen für die MAP verbunden ist. Hier gilt es, andere Arten der Motivationssteigerung einzusetzen.
- Die erstmalige Durchführung der LV hat Ideen aufgezeigt für eine stärkere Vernetzung der Lehre im Maschinenbau in der Studieneingangsphase. Sowohl das Untersuchungsobjekt „Fahrrad“ als auch die verwendete Lehr- und Lernsoftware „EduPack“ weisen Querbezüge zu anderen Fächern, bspw. der Konstruktion, auf, die aktiv aufgegriffen und genutzt werden können.
- Empfehlenswert für Nachahmer*innen: Nutzung von ARSNova als Werkzeug zu Beginn eines jeden Präsenztermins, um an die Inhalte der Vorwoche anzuknüpfen und regelmäßig den Wissenstand stichprobenartig zu überprüfen."

Prof. Dr.-Ing. Sebastian Weber



Veröffentlichungen zum Lehrmuster:

– Werbeclip über Instagram, gemeinsam erstellt mit der Hochschulkommunikation
– Veröffentlichung von Informationen zur Konzeptentwicklung auf der Homepage des Lehrstuhl Werkstofftechnik
https://www.wtech.ruhr-uni-bochum.de/lwt/aktuelles/akt00012.html.de

https://www.wtech.ruhr-uni-bochum.de/lwt/aktuelles/akt00028.html.de

https://www.wtech.ruhr-uni-bochum.de/lwt/aktuelles/akt00047.html.de



Fotos zum Lehrmuster:



Hat Ihnen das Lehrmuster gefallen? Dann setzen Sie doch ein ähnliches Lehrmuster um! Gerne beraten wir Sie hierzu. Und für Forschendes Lernen gibt es sogar eine Transferförderung. Für einen Beratungswunsch schicken Sie bitte eine E-Mail an lehrmuster@rub.de.






Konzipierung

Kontaktperson:
Prof. Dr.-Ing. Sebastian Weber
(weber@wtech.rub.de), Fakultät für Maschinenbau


Weitere Informationen

Veröffentlichungsdatum:
19. Januar 2023, 11:21 Uhr

Schlagwörter:
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Fächergruppen:
Ingenieurwissenschaften


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