Forschend lernen in der Personal- und Führungsforschung: Ein kompetenzorientiertes Lehr-Lernprojekt zum wissenschaftlichen Arbeiten mit empirischer Datenauswertung


Was zeichnet das Lehrmuster aus?

Das Projekt zeichnet sich durch die Verbindung von wissenschaftlicher Theorie, praxisnaher Forschung und kompetenzorientierter Lehre aus. Im Zentrum steht ein vollständiger qualitativer Forschungsprozess, den Studierende eigenständig im Team durchlaufen – von der Entwicklung praxisrelevanter Forschungsfragen über die Durchführung und Auswertung von Experteninterviews bis zur wissenschaftlichen Verschriftlichung. Besonderheiten sind die reale Datenerhebung im Rahmen einer Exkursion zu einem Unternehmenspartner, ein systematisches Peer-Feedback-Verfahren sowie ein didaktisches Design nach dem Prinzip des Constructive Alignment, das auf konstruktivistisches Lernen und die Self-Determination Theory zur Motivationsförderung aufbaut. Interaktive Methoden, digitale Tools und intensive Betreuung schaffen ein lernförderliches Umfeld, das Selbstwirksamkeit, Reflexionsfähigkeit und Anwendungskompetenz stärkt – und so nachhaltiges wissenschaftliches Lernen ermöglicht.



Fakten im Überblick:

In welcher Form existiert eine Präsenzphase?
Einzeltermine

In welchen Zeitraum wird das Lehrmuster durchgeführt?
Während Vorlesungszeit

Wird das Lehrmuster über einen Zeitraum von mehreren Semester durchgeführt?
Nein

Welchen Umfang hat das Lehrmuster?
Creditpoints: 5
Teilnehmerzahl: 25

In welchem Studienabschnitt ist das Lehrmuster angesiedelt?
Bachelor (Profilierungsphase)

In welcher Art ist das Lehrmuster curricular verankert?
Wahlmodul

Worum geht es in dem Lehrmuster insbesondere?
Selbstständiges Arbeiten am Text / an Quellen / an Fällen / an Daten, Wissenschaftliches Schreiben und / oder Diskutieren


Welche Zielsetzung hat das Lehrmuster?

Ziel des Projekts ist es, Studierende zur eigenständigen, forschungsbasierten Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen der Personal- und Führungsforschung zu befähigen und sie gezielt beim Erwerb wissenschaftlicher, methodischer sowie sozialer Kompetenzen zu unterstützen. Im Fokus steht die Vorbereitung auf wissenschaftliche Abschlussarbeiten sowie auf komplexe berufliche Aufgaben im evidenzbasierten HR- und Leadership-Kontext.

Das Lehr-Lernprojekt basiert auf drei miteinander verzahnten didaktischen Säulen: (1) kompetenzbasiertes Lernen, (2) konstruktivistisch-didaktische Konzepte und (3) motivationstheoretische Ansätze, insbesondere die Self-Determination Theory (Deci & Ryan, 2000). Ziel ist es, ein Lernumfeld zu schaffen, das sowohl kognitive als auch motivationale Voraussetzungen für nachhaltiges Lernen fördert. Die angestrebte Kompetenzentwicklung orientiert sich am Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) auf Niveau 6 sowie am Kompetenzmodell nach Wilkens et al. (2006), insbesondere an den Dimensionen Komplexitätsbewältigung, Selbstreflexion, Kooperation und Kombination. Darüber hinaus wird gezielt an der intrinsischen Motivation gearbeitet, indem Autonomie, soziale Eingebundenheit und Kompetenzförderung als didaktische Prinzipien umgesetzt werden.

Entsprechend sollen folgende Grundfertigkeiten/Kompetenzen entwickelt werden:

  • Fachlich-inhaltlich: Aufbau eines fundierten Verständnisses zentraler Theorien und aktueller Diskurse der Personal- und Führungsforschung (z. B. digitale Führung, KI in der Personalauswahl, Empowering Leadership) sowie deren kritische Reflexion im Kontext organisationaler Praxis.
  • Methodisch: Sicherer Umgang mit qualitativen Forschungsmethoden, insbesondere leitfadengestützter Interviewführung, Transkription nach wissenschaftlichen Standards und qualitativer Inhaltsanalyse (z. B. nach Kuckartz). Ergänzend: reflektierter Einsatz digitaler Analysewerkzeuge wie MAXQDA und KI-gestützter Codierungshilfen.
  • Wissenschaftlich-reflexiv: Entwicklung eigenständiger, theoriebasierter Forschungsfragen, strukturierter Aufbau wissenschaftlicher Argumentationen, Anwendung formaler Standards (APA 7) und analytisch-kritische Einordnung empirischer Ergebnisse in den Forschungsstand.
  • Kooperation & Kommunikation: Entwicklung kooperativer Arbeitskompetenzen durch forschungsbasierte Gruppenarbeit, strukturierte Peer-Feedback-Prozesse, argumentativ fundierte Diskussionen sowie adressatengerechte Präsentation und Verteidigung von Forschungsergebnissen – auch vor Praxisvertreter:innen.
  • Selbstregulation & Eigenverantwortung: Planung, Strukturierung und Reflexion individueller Lern- und Arbeitsprozesse innerhalb eines komplexen Projektverlaufs. Förderung der Eigenverantwortung durch Gestaltungsspielräume bei Themenwahl, Methodeneinsatz und Ergebnisdarstellung.





Weitere Lehrmuster:

Unsicherheitserfahrung und Bewältigungsstrategien im unternehmerischen Kontext – simulationsbasierte Lernansätze
Qualitative Methoden der Text- und Bildanalyse: Multiple methodische Zugänge in der Forschungspraxis
Wasser im Wandel
Theories and Histories of Migration





Wie ist das Lehrmuster strukturiert?

Das Projekt ist in sieben aufeinander abgestimmte Phasen gegliedert, die sich über das gesamte Sommersemester erstrecken: (1) Einführungsveranstaltung (Themenwahl, Teambildung und Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten), (2) drei aufeinander aufbauende Methodenworkshops (Recherchetechniken, Interviewmethoden, qualitative Datenauswertung, wissenschaftliches Schreiben, etc.), (3) eine Unternehmensexkursion mit qualitativer Datenerhebung (Anwendung eigenständig entwickelter Interviewleitfäden, Sammlung eigener Erfahrung im Forschungsfeld), (4) Zwischenpräsentation (strukturiertes Peer- und Dozierendenfeedback), (5) Abschlussworkshop, (6) Verfassen der wissenschaftlichen Hausarbeit in Kleingruppen und (7) Abschlusspräsentation (Diskussion und Verteidigung der Forschungsergebnisse für Peers, Dozierenden und Praxisvertreter:innen). Jede Phase ist didaktisch so gestaltet, dass sie aktivierende Lernprozesse, Selbstreflexion und Praxisbezug miteinander verbindet.

Arbeitsformen und Lehrmethoden:

  • Interaktive Präsenzveranstaltungen: Die Präsenzsitzungen sind konsequent dialogisch und aktivierend gestaltet. In der Einführungsveranstaltung fördern Übungen wie „3 Treffer in 3 Minuten“ oder „Two truths, one lie“ das Kennenlernen. Mentimeter-Abfragen (z. B. zu Vorwissen oder Erwartungen), Quizformate (z. B. zu Zitierregeln nach APA 7) und Methoden wie „6 Richtige“ oder strukturierte Gruppenarbeiten mit Flipcharts regen zur aktiven Auseinandersetzung mit den Inhalten an und schaffen ein gemeinsames Problemverständnis. Reflexionsphasen in Plenum und Kleingruppen unterstützen die kritische Selbstverortung im Forschungsprozess.
  • Kleingruppenarbeit: Die Hausarbeit wird in Teams von zwei bis drei Studierenden verfasst. Die Gruppen verantworten alle Schritte des Forschungsprozesses: Auswahl und Konkretisierung des Themas, Entwicklung der Forschungsfrage, Erstellung eines Interviewleitfadens, Datenerhebung im Feld (Unternehmensexkursion), qualitative Auswertung und wissenschaftliche Verschriftlichung. Durch diese Struktur entsteht ein hoher Grad an Koordination, Ko-Kreation und Verantwortung im Team – vergleichbar mit kollaborativem wissenschaftlichem Arbeiten im Publikationskontext.
  • Peer-Feedback und kollegiale Beratung: In einem strukturierten Peer-Review-Verfahren bewerten die Studierenden gegenseitig ihre Forschungsfragen anhand vorab kommunizierter Kriterien (z. B. Relevanz, Präzision, Theoriefundierung) und geben Rückmeldungen über Moodle. Bei Zwischen- und Abschlusspräsentationen agieren jeweils andere Gruppen als designierte Feedbackgeber:innen und übernehmen Verantwortung für eine konstruktiv-kritische Diskussionskultur. Dies fördert Metakognition, Perspektivübernahme und wissenschaftliche Dialogfähigkeit.
  • Praxisbasierte Forschung: Im Rahmen einer eintägigen Exkursion zu einem Unternehmen als Praxispartner führen die Studierenden selbstständig ein ca. 60-minütiges Gruppeninterview mit Unternehmensvertreter:innen durch – auf Basis ihrer zuvor entwickelten Interviewleitfäden. Die Interviews werden aufgezeichnet, transkribiert und analysiert. Die Praxispartner bringen reale Problemstellungen ein, was die Studierenden als „Expert:innen auf Augenhöhe“ herausfordert und ihre Anwendungskompetenz im Umgang mit qualitativen Methoden stärkt.
  • Digital unterstütztes Lernen: Über den Moodle-Kurs erfolgt die gesamte Koordination des Seminars: Gruppenwahl, Abgabeformate (z. B. Interviewleitfäden, Leseproben), Bereitstellung von Materialien (Literatur, Tutorials, Templates), Kommunikation von Deadlines sowie Peer-Review-Prozesse. Für die Datenauswertung wird MAXQDA genutzt, ergänzt durch die kritische Reflexion des Einsatzes KI-gestützter Tools (z. B. bei der Codierung). Quizzes, kollaborative Dokumente und Umfragen fördern asynchrones, selbstgesteuertes Lernen.
  • Individuelle Betreuung und Feedback: Der Betreuungsschlüssel von ca. 12–15 Studierenden pro Lehrperson erlaubt eine enge, kontinuierliche Begleitung. Jede Gruppe erhält dreifach kommentiertes Textfeedback (zu Forschungsfrage, Interviewleitfaden und finaler Hausarbeit), das um eine kommentierte PDF-Version mit 50–100 annotierten Hinweisen ergänzt wird. Zusätzlich stehen individuelle Sprechstunden zur Verfügung – vor allem in Phasen intensiver Konzeptions- oder Schreibarbeit. Die Betreuung orientiert sich an einem Coaching-Ansatz, der Selbststeuerung und Eigenverantwortung fördert.

Durch die systematische Verzahnung dieser Arbeitsformen entsteht ein interaktives, praxisnahes und kompetenzorientiertes Lernumfeld.



Welches Prüfungsform ist in dem Lehrmuster vorgesehen?

Die Leistungskontrolle erfolgt in zwei Komponenten: (1) einer wissenschaftlichen Hausarbeit (Gruppenarbeit, 80 % der Gesamtnote) und (2) einer mündlichen Abschlusspräsentation (20 %). Die Hausarbeit basiert auf einer selbst entwickelten Forschungsfrage, einer qualitativen Datenerhebung (Experteninterview) und der systematischen Auswertung der Ergebnisse. Die Abschlusspräsentation umfasst die Vorstellung und Verteidigung der zentralen Erkenntnisse im Plenum sowie gegenüber Unternehmensvertreter:innen. Beide Leistungen werden anhand transparenter, vorab kommunizierter Kriterien bewertet.

Ein zentrales Merkmal ist das umfassende, qualitative Textfeedback zur Hausarbeit: Jede Gruppe erhält eine kommentierte PDF-Fassung mit ca. 50–100 Einzelkommentaren zu Inhalt, Argumentationslogik, formaler Gestaltung, Theorietiefe und Ausdruck. Ergänzt wird dies durch ein zusammenfassendes Feedback mit zentralen Stärken, Entwicklungsfeldern und Empfehlungen für künftige wissenschaftliche Arbeiten. Auch zur Abschlusspräsentation erhalten die Gruppen differenziertes Feedback – sowohl von den Lehrenden als auch von Peers und Unternehmensvertreter:innen. Formative Elemente wie Peer-Reviews, Zwischenpräsentationen, individuell betreute Zwischenschritte (z. B. Interviewleitfäden, Leseproben) sowie begleitende Sprechstunden ermöglichen eine kontinuierliche Rückmeldung und nachhaltige Kompetenzentwicklung – weit über die formale Leistungsbewertung hinaus.



Welche E-Learning-Elemente werden eingesetzt?

Das Projekt wird durch eine umfassende Moodle-Lernumgebung begleitet, die als zentrale Plattform für Organisation, Kommunikation und Materialbereitstellung dient. Hierüber erfolgen die Themen- und Gruppenwahl, der Zugriff auf Literatur, sowie die Durchführung von Peer-Review-Verfahren. Zusätzlich werden digitale Tools wie Mentimeter zur anonymen Meinungsabfrage und Aktivierung in Präsenzsitzungen eingesetzt. Für die qualitative Datenauswertung nutzen die Studierenden die Software MAXQDA, die über das universitäre Softwareportal bereitgestellt wird. Darüber hinaus wird der Einsatz von KI-gestützten Auswertungstools reflektiert und diskutiert. Quizzes (z.B. zu Zitierregeln nach APA 7) und Forschungsfragen werden ebenfalls digital umgesetzt und unterstützen das selbstgesteuerte Lernen.



Tipps für die Umsetzung:

"Das Projekt zeigt, wie durch eine Kombination aus kompetenzorientiertem Lernen, interaktiver Didaktik und authentischem Praxisbezug ein tiefgehender, motivierender Lernprozess geschaffen werden kann. Es gelingt, Studierende aktiv in den Forschungsprozess einzubinden, wissenschaftliche Methoden praktisch anwendbar zu machen und sie gezielt auf zukünftige akademische oder berufliche Herausforderungen vorzubereiten.

Transferfähige Grundelemente des Projekts
• Empirisches Forschungsprojekt mit Praxispartner
Studierende entwickeln eigene Forschungsfragen, führen Interviews mit Unternehmensvertreter:innen und werten diese qualitativ aus.
→ Empfehlung: Frühzeitig Kooperationen mit Praxispartnern etablieren, deren Themen anschlussfähig an den Seminarinhalt sind. Transparente Kommunikation im Vorfeld sichert reibungslose Abläufe.
• Peer-Review und kollaboratives Lernen
Strukturierte Peer-Feedback-Verfahren (z. B. zu Forschungsfragen) fördern kritisches Denken, Perspektivwechsel und Eigenverantwortung.
→ Empfehlung: Klare Kriterien und moderierende Begleitung sind entscheidend, um die Qualität des Feedbacks zu sichern.
• Duale Prüfungsform mit ausführlichem Feedback
Kombination aus schriftlicher Gruppenhausarbeit und Präsentation vor Praxispartner:innen. Beide Leistungen werden entlang definierter Kriterien bewertet und kommentiert.
→ Empfehlung: Kommentiertes Feedback von Hausarbeiten/Abschlussarbeiten bietet hohen Mehrwert für Studierende - auch über die konkrete Leistung hinaus.
• Interaktive Methoden in Präsenz
Spiele, Reflexionsübungen und strukturierte Diskussionen (z. B. Mentimeter, „Two truths - one lie“, Starfish-Methode) stärken Gruppenkohäsion und Lernmotivation.
→ Empfehlung: Methoden gezielt einsetzen, um Lernatmosphäre und Beteiligung zu fördern - nicht als Selbstzweck, sondern mit klarem Bezug zum Lernziel.

Wichtige Hinweise für das Gelingen:
• Betreuungsschlüssel beachten: Ein Verhältnis von ca. 12-15 Studierenden pro Lehrperson ist ideal für individuelles Feedback und intensive Begleitung.
• Zeitmanagement vorausschauend planen: Frühzeitige Terminsetzung und strukturierende Meilensteine helfen den Studierenden, in einem komplexen Projekt arbeitsfähig zu bleiben.
• Flexibilität bei der Rollenverteilung: Lehrende agieren als Coaches - nicht als klassische Wissensvermittler. Vertrauen in die Eigenverantwortung der Studierenden ist zentral.
• Kritische Auseinandersetzung mit digitalen Tools fördern: Besonders bei KI-gestützter Analyse ist nicht nur Anwendung, sondern auch Reflexion erforderlich."

Immanuel Lutzeyer



Veröffentlichungen zum Lehrmuster:

Lutzeyer, I., & Lupp, D. (2025). Forschend lernen in der Personal- und Führungsforschung: Ein kompetenzorientiertes Lehr-Lernprojekt zum wissenschaftlichen Arbeiten mit empirischer Datenauswertung [Projektskizze]. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.15638989



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Konzipierung

Kontaktperson:
Immanuel Lutzeyer
(Immanuel.Lutzeyer@ruhr-uni-bochum.de), Institut für Arbeitswissenschaft

Weitere Beteiligte:
Dr. Daniel Lupp
Institut für Arbeitswissenschaft
Daniel.Lupp@rub.de


Weitere Informationen

Veröffentlichungsdatum:
01. Juli 2025, 09:20 Uhr

Schlagwörter:
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Fächergruppen:
Gesellschaftswissenschaften


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