Lehrforschungsprojekt: Jüdische Perspektiven sichtbar machen


Was zeichnet das Lehrmuster aus?

Das Lehrforschungsprojekt zielte auf die Erforschung unterschiedlicher thematischer Aspekte jüdischen Lebens sowie die Aufbereitung der erarbeiteten Ergebnisse in Form frei zugänglicher OER-Materialien (Open Educational Resources). Studierende hatten die Möglichkeit, entweder über ein oder zwei Semester, zu einem selbst gewählten Thema zu forschen und sich in diesem Zusammenhang sowohl mit historischen als auch mit gegenwärtigen jüdischen Lebensrealitäten und Selbstverständnissen auseinanderzusetzen. Durch die Prüfungsform des Portfolios wurden die individuellen Lernerfahrungen der Studierenden selbstreflexiv dokumentiert. Hierfür formulierten die Dozentinnen Arbeitsaufträge zu einzelnen Schritten des Forschungsprozesses. Durch einen Co-Teaching-Ansatz wurden einschlägige Erfahrungen in den Bereichen qualitative Sozialforschung und theoretisch-praktische Konzeption eines empathiebasierten Ansatzes bei der Wissensvermittlung sowie bei der Konzeption und Durchführung von Lehrveranstaltungen zur jüdischen Geschichte eingebracht.



Fakten im Überblick:

In welcher Form existiert eine Präsenzphase?
Einzeltermine

In welchen Zeitraum wird das Lehrmuster durchgeführt?
Während Vorlesungszeit

Wird das Lehrmuster über einen Zeitraum von mehreren Semester durchgeführt?
Ja (2 Semester)

Welchen Umfang hat das Lehrmuster?
Creditpoints: 10
Teilnehmerzahl: 7
Das Forschungsprojekt konnte wahlweise in einem oder zwei Semestern abgeschlossen werden und war im SoSe23 Teil des Angebots des Optionalbereichs.

In welchem Studienabschnitt ist das Lehrmuster angesiedelt?
Bachelor (Profilierungsphase)

In welcher Art ist das Lehrmuster curricular verankert?
Wahlmodul

Worum geht es in dem Lehrmuster insbesondere?
Selbstständiges Arbeiten am Text / an Quellen / an Fällen / an Daten


Welche Zielsetzung hat das Lehrmuster?

Das Lehrforschungsprojekt wurde im Rahmen des Wahlpflichtmoduls R4 – Fortgeschrittene Studien der materialen Religionsgeschichte angeboten. Daher stand die Zielsetzung des Projekts in Einklang mit den fachbezogenen und überfachlichen Lernzielen des Moduls. Anhand ausgewählter Themen und Inhalte der materialen Religionsforschung vertiefen Studierende in diesem Modul ihr Grundlagenwissen und wenden religionswissenschaftliche Theorien, Ansätze und Methoden im forschenden Lernprozess auf Gegenstände der materialen Religionsgeschichte an. Schwerpunkte bilden der Umgang mit unterschiedlichen Quellen- und Materialtypen, die Fähigkeit methodische Vorgehensweisen anzuwenden und ein kleines Forschungsprojekt eigenständig zu planen und umzusetzen. Das universitäre Angebot zu einer vertieften Auseinandersetzung mit jüdischer Geschichte und gegenwärtigem jüdischem Leben stellt für viele Studierende erfahrungsgemäß eine Ausnahme dar. Daher zielte das Angebot auch auf eine Stärkung des Verständnisses für die Verankerung jüdischer Kultur in Deutschland und die Relevanz der Perspektiven von Jüdinnen und Juden. Ob der Aufgabenstellung, die gewonnenen Erkenntnisse in Form frei zugänglicher Lernmaterialien zu verarbeiten und aufzubereiten, konnten im Rahmen der Gestaltung der Materialien und der dafür notwendigen Identifikation der Zielgruppen weitere Fähigkeiten und Kompetenzen erworben werden. Dies betrifft zum Beispiel die Auseinandersetzung und praktische Umsetzung rund um das Thema Wissenstransfer hinsichtlich formaler, pädagogischer, rechtlicher, ethischer oder technischer Aufgabenstellungen. Angesichts der vielfältigen Lernziele und der Zielsetzung des Projekts wurde die ergänzende Prüfungsform des Portfolios neben den angefertigten OER-Materialien als geeignet identifiziert. Unser Dank gilt an dieser Stelle Ulrike Lange vom ZfW, die uns in der Konzeptionsphase zum Thema Portfolio beratend zur Seite stand.



Was sind wesentliche Inhalte des Lehrmusters?

Die wesentlichen Inhalte des Seminars ergeben sich aus den Interessenschwerpunkten der Studierenden und den von ihnen entwickelten Projektideen rund um das Thema jüdisches Leben. So beschäftigt sich ein Projekt mit Angeboten in der Kinder- und Jugendarbeit, hierzu wurden Interviews geführt, auf deren Grundlage anschließend ein gemeinsamer Podcast entstand. Zwei Projekte widmeten sich dem Thema Identität und der Existenz ethnischer wie religiöser Definitionen, insbesondere vor dem Hintergrund der Zuwanderung von Jüdinnen und Juden nach Deutschland seit der Wende zu den 1990er-Jahren aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Aufbereitung der durch Interviews und Literaturrecherche gewonnenen Erkenntnisse erfolgte in Form von Postern respektive eines Fließtextes. Ein weiteres Projekt war den Beweggründen, Motivationen und Zielen des jüdischen Studierendenverbands GESH an der Ruhr-Universität in Bochum gewidmet (nicht abgeschlossen). Das Thema Jüdisch und Queer gibt anhand eines Fließtextes Einblick in queere jüdische Geschichte und aktuelle Perspektiven queerer Jüd*innen.  Eine durchgeführte Forschung zur Darstellung jüdischer Perspektiven im Bildungssystem führte zur Erstellung eines Quizzes sowie einer Materialsammlung auf Taskcard zum Thema Vielfalt in Reaktion auf die gewonnenen Erkenntnisse. Ein Projekt, das unmittelbar vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem Terror vom 07. Oktober entstand, setzt sich kritisch mit Aktivitäten der Organisation „jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ auseinander (nicht abgeschlossen).





Weitere Lehrmuster:

Interaktive Online-Inhalte zur Vorlesung „Organische Chemie für Biologen“
Testen und Prüfen für zukünftige Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer
Forschendes Lernen in der Sportlehrerausbildung für außerschulische Tätigkeitfelder
Wasser im Wandel





Wie ist das Lehrmuster strukturiert?

Zunächst standen Themenfindung und eigenständige Entwicklung einer Fragestellung im Mittelpunkt. Der Input der Dozentinnen erfolgte in Form von Lektüre und Materialien zu aktuellen jüdischen Lebenswirklichkeiten sowie Übungen zur Themeneingrenzung mithilfe von Visualisierungstechniken. Die Auseinandersetzung, Erarbeitung und Begründung der Forschungsschritte und Ergebnisse waren im Portfolio festzuhalten. Begleitet war die Phase der Themenfindung von einer ersten Auseinandersetzung mit dem Thema OER. Unser Dank gilt an dieser Stelle Ann Kristin Beckmann und Sarah Görlich vom ZfW, die im Rahmen des Seminars in die Themen OER und CC-Lizenzen eingeführten. Anschließend widmeten wir uns dem Thema Projektarbeit. Auf Grundlage einer Lektüre mit Übungen zu den Themen Zeitmanagement und Projektplanung bestand die Aufgabe darin, einen Zeitplan für das eigene Projekt zu erstellen und diesen im Seminar vorzustellen. Abweichungen und Änderungen waren in der Folge zu dokumentieren. Rüstzeug für die Datenerhebung wurde in Form gemeinsamer Grundlagenlektüre zu Empirischer Sozialforschung bereitgestellt. Auf dieser Grundlage war aus der weiterhin bereitgestellten Lektüre zu einzelnen Erhebungsformen auszuwählen. Da alle Studierenden sich dafür entschieden, Interviews zu führen, war eine Sitzung der gemeinsamen Besprechung der erstellten Leitfäden vorbehalten. Ein weiteres Treffen diente dem Input zum Thema empathisch-selbstreflexiv angelegte Sozialforschung, inklusive des Verweises auf praktische Übungen. Neben den Seminarsitzungen wurde diese Phase des Arbeitsprozesses von Arbeitsaufträgen für das Portfolio zur Methodenwahl und zum Ablauf der Datenerhebung begleitet. Analog zur Auseinandersetzung mit dem Thema Datenerhebung war die anschließende Seminarphase durch die Auseinandersetzung mit dem Thema Datenauswertung von den unterschiedlichen studentischen Bedarfe geprägt und wurde durch einen Input zu verschiedenen Analyseverfahren ergänzt. Im begleitenden Arbeitsauftrag für das Portfolio war darzulegen, warum der gewählte Zugang für die Beantwortung der formulierten Forschungsfrage(n) geeignet ist, indem die Auswahl der Datenerhebung unter Heranziehung von Fachliteratur begründet wird, Überlegungen hinsichtlich der Datenauswertung formuliert und ethische Aspekte der Forschung sowie eigene Reflexionsanlässe und weiterführende Gedanken, festgehalten werden. Da die persönliche Auseinandersetzung eine wichtige Rolle einnahm, war immer die Möglichkeit gegeben in der Ich-Form zu schreiben und da die Vorgaben zur Bewertung das Aufschreiben von Gedanken nicht einschränken sollten, bestand die Möglichkeit vor Abgabe zur Bewertung nicht prüfungsrelevante Inhalte zu entfernen. Bis zu diesem Zeitpunkt fanden die bis dato neun Seminarsitzungen in Rücksprache mit den Studierenden wöchentlich statt, während anschließend im Rahmen der Datenauswertung und Materialentwicklung mit Ausnahme zwischenzeitlicher Berichtsrunden selbstständig gearbeitet wurde. Dabei diente der gestellte Arbeitsauftrag für das Portfolio dazu, die gewählte Darstellungsform, die identifizierte Zielgruppe und die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema Weiternutzung von OER-Materialien zu begründen.



Welches Prüfungsform ist in dem Lehrmuster vorgesehen?

Als zentrale Prüfungsform wurde das Portfolio gewählt, da es die Dokumentation der eigenen Lernerfahrung und die Möglichkeit einer strukturierten Reflexion dieser bietet. Die Studierenden hatten die Aufgabe, für ihr Portfolio selbstständig sowie nach Vorgaben eine bestimmte Anzahl von Texten oder auch andere Materialien auszuwählen, um darzulegen, was den Forschungsprozess prägt. Bewertungskriterien waren: Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit der Forschungsentscheidungen und des selbstreflexiven Prozesses, formale Aspekte und genereller Eindruck sowie Bibliografie und Sprache. Die dargelegten Anforderungen, Fristen und Bewertungskriterien waren in einem Merkblatt einzusehen. Mitte des Semesters reichten die Studierenden den Zwischenstand ihres Portfolios für Feedback bei den Dozentinnen ein. In seiner Gesamtheit musste das Portfolio, das als inhaltliche und selbstreflexive Grundlage für die Erstellung der OER-Materialien diente, am Semesterende vorliegen.



Welche E-Learning-Elemente werden eingesetzt?

Die Studierenden hatten die Möglichkeit, ihr Portfolio in Form einer klassischen Sammelmappe oder eines ePortfolio zu erstellen. Etherpads boten die Möglichkeit in der Seminarvor- und -nachbereitung unkompliziert miteinander zu kommunizieren und das Tool Datenaustausch ermöglichte Dokumente wie Zeitpläne und Leitfäden fristgerecht einzustellen und verfügbar zu machen.



Tipps für die Umsetzung:

"Eine vertiefte Kenntnis zu jüdischer Geschichte, Gegenwart und Lebensrealitäten kann bei Studierenden nicht vorausgesetzt werden, da diese sowohl im wissenschaftlichen als auch öffentlichen Diskurs kaum repräsentiert sind. Daher ist eine Gewährleistung fachlich tiefgehender Kenntnisse zu den Themen durch Lehrperson(en) sowie die Bereitstellung und Besprechung von Grundlagenlektüre zu den Themen zwingend notwendig. Damit sich Studierende adäquat mit dem Themenkomplex jüdisches Leben auseinandersetzen können, sind zusätzlich didaktische Konzepte und Methoden zu wählen, die aufzeigen wie eine Reflexion eigener Vorstellungen, Gedanken und Gefühle ermöglicht und den Unterschied zwischen diesen verdeutlicht. Ebenso eignet sich die Klärung des Begriffs der Empathie im Kontext qualitativer Sozialforschung sowie Erforschung und Auseinandersetzung mit anderen Perspektiven. Hierzu sollte Empathie klar von Konzepten wie Sympathie oder aber Mitleid abgegrenzt werden. Gelingbedingung eines empathisch-selbstreflexiven Lehransatzes ist auch die Anwendung durch Lehrperson(en) im Rahmen der Seminarsitzungen, hierzu zählt transparente Kommunikation, Vertrauen in und Unterstützung des Lernprozesses der Studierenden sowie die theoretische Erläuterung und praktische Verinnerlichung des Ansatzes selbst. Zu empfehlen ist das Hinzuziehen der Expertise des ZfW als Hilfestellung für Lehrperson(en) bei Rückfragen zur Konzeption des Portfolios als Prüfungsform sowie in Form von Ansprechpersonen für Studierende und Lehrperson(en) hinsichtlich technischer und formaler Fragen zu OER."

Jonna-Margarethe Mäder



Veröffentlichungen zum Lehrmuster:

Der Moodlekurs wird Form der realisierten studentischen Projekte, unserer Präsentationen und Arbeitsaufträgen für das Portfolio in das OpenRUB-Angebot eingepflegt. Solange der Kurs noch unvollständig ist, kann der Zwischenstand hier eingesehen werden: https://moodle.ruhr-uni-bochum.de/course/view.php?id=59348#section-15



Hat Ihnen das Lehrmuster gefallen? Dann setzen Sie doch ein ähnliches Lehrmuster um! Gerne beraten wir Sie hierzu. Und für Forschendes Lernen gibt es sogar eine Transferförderung. Für einen Beratungswunsch schicken Sie bitte eine E-Mail an lehrmuster@rub.de.






Konzipierung

Kontaktperson:
Jonna-Margarethe Mäder
(Jonna-Margarethe.Maeder@ruhr-uni-bochum.de), Center for Religious Studies


Weitere Informationen

Veröffentlichungsdatum:
02. Juli 2024, 09:02 Uhr

Schlagwörter:
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Fächergruppen:
Interdisziplinär


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